J. Waldvogel: Swiss Settlers in New Zealand

Cover
Titel
Swiss Settlers in New Zealand. A History of Swiss Immigration to New Zealand


Autor(en)
Waldvogel, Joan
Reihe
Germanica Pacifica (16)
Erschienen
Berlin 2018: Peter Lang/Frankfurt am Main
Anzahl Seiten
407 S.
von
Magda Kaspar

Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts galt die Schweiz als Auswanderungsland. Verglichen mit den beliebten Destinationen in Nord- und Südamerika blieb die Auswanderung von Schweizerinnen und Schweizern nach Neuseeland quantitativ marginal, doch ermöglicht deren Betrachtung Einblicke in Ursachen, Umstände und Folgen von Migration in weit entlegene Gebiete. Joan Waldvogel, eine neuseeländische Sprachwissenschaftlerin mit Schweizer Wurzeln, hat die erste umfassende Studie zu 170 Jahren schweizerisch-neuseeländischer Migration vorgelegt. Auf Basis von Briefen, Interviews und zeitgenössischen Zeitungsartikeln untersucht die Autorin zahlreiche Einzelschicksale und bietet damit Einblicke in die
Erfahrungs- und Lebenswelten von Schweizer Migranteninnen und Migranten.

Wirtschaftliche Krisen lösten im 19. Jahrhundert die ersten Massenauswanderungen aus der Schweiz nach Übersee aus. Besonders junge Männer aus weniger wohlhabenden Bevölkerungsschichten sahen sich wegen Perspektivlosigkeit zur Auswanderung gezwungen. Als in den 1850er-Jahren die Nachricht die Schweiz erreichte, dass in Australien Gold entdeckt worden sei, machten sich Auswanderungswillige, vornehmlich aus dem Tessin und Graubünden, auf den Weg, um dort ihr Glück zu finden. Jedoch hatten nur wenige Erfolg bei der Goldsuche und viele sahen sich bald gezwungen, ihren Lebensunterhalt auf andere Weise zu verdienen. Einige zogen nach Neuseeland weiter, wo sich Schweizer Einwandererinnen besonders auf dem fruchtbaren Land rund um Taranaki und Waikato niederliessen. Aus Goldgräberinnen und Goldgräber auf der Suche nach schnellem Glück entwickelten sich allmählich sesshafte Siedlerinnen und Siedler. Zunehmend diversifizierte sich ihr Betätigungsfeld, als mit der prosperierenden Landwirtschaft auch der Bedarf an handwerklichen Betrieben und komplexeren Dienstleistungen zunahm. Diese frühen Siedlerinnen und Siedler erschlossen neue Wege in bis dahin unberührte Regionen und gehörten zu den ersten, die das neuseeländische Gebirge vermassen. Auch bei der Entwicklung der Landwirtschaft spielten Einwanderer aus der Schweiz eine wichtige Rolle: Sie gründeten Milchbetriebe und halfen, unter anderem durch den Import von neuen Viehrassen, bei der Weiterentwicklung der Milchindustrie.

Bald verdrängte der Traum vom eigenen Haus, Bauernhof oder Betrieb das Gold als Anreiz für die Migration auf den weit entfernten Inselstaat. Die Berichte der ersten Siedlerinnen und Siedler ermutigten weitere Auswanderungswillige, in Neuseeland ihr Glück zu suchen. Schweizerinnen und Schweizer, die sich bereits dort niedergelassen hatten, stellten Neuankömmlingen oft ein vorübergehendes Zuhause oder gar Arbeitsplätze zur Verfügung. Um die Wirtschaft anzukurbeln, hatte die britische Kolonialregierung in den 1870er-Jahren begonnen, die Immigration von Europäerinnen und Europäer zu unterstützen («assisted immigration»), indem sie die Einreise vereinfachte, teilweise die Kosten der Überfahrt übernahm und je nach den Bedürfnissen des Arbeitsmarkts Stellen vermittelte. Zur Jahrhundertwende siedelten sich immer mehr Schweizerinnen und Schweizer in den wachsenden urbanen Zentren des Lands an. 1916 lebten in Neuseeland 670 in der Schweiz geborene Personen, davon 205 Frauen und 465 Männer. Beinahe im gesamten 19. und 20. Jahrhundert wanderten stets mehr Männer als Frauen aus, obwohl die Überfahrt lange Zeit für Frauen kostenlos war, um das Ungleichgewicht der Geschlechter unter den Siedlerinnen und siedler auszugleichen.

Nach einem erheblichen Rückgang der Auswanderung während den Kriegsjahren stieg die Anzahl der Schweizerinnen und Schweizern Neuseeland nach 1949 wieder an. In dieser Zeit ökonomischen Wachstums und sozialer Stabilität in der Schweiz war Neuseeland von politischen, sozialen und ökonomischen Veränderungen geprägt: Das Land geriet in eine Rezession mit erhöhter Arbeitslosigkeit und Inflation, weshalb der Bedarf an Immigrantinnen und Immigranten sank. 1974 wurde die begleitete Einwanderung abgeschafft und die Regulierung der Immigration nahm zu. An Stelle von ökonomischer Notwendigkeit wurden nun Abenteuerlust und der Wunsch nach einer sozialen Veränderung zu den wichtigsten Migrationsgründen; die Einwandererinnen und Einwanderer der 1960er- und 1970er-Jahre zeichneten sich durch bessere Ausbildung, längere Arbeitserfahrung und ausgereiftere Englischkenntnisse aus. Sie waren mobil, erfüllten sich den Wunsch zu reisen, neue Erfahrungen zu sammeln und waren dafür bereit, den hohen Schweizer Lebensstandard aufzugeben.

An zahlreichen Fallbeispielen zeigt Waldvogel auf, wie Individuen, ihre Familien und Nachkommen verschiedene Stationen der Migration durchliefen und wie sie dabei ihr kulturelles Erbe auch in Neuseeland weiter pflegten. Das Buch ist chronologisch gegliedert und illustriert unterschiedliche Perioden der Immigration, von den ersten Siedlerinnen und Siedler bis zu den Millenials. Für jede Periode erarbeitet die Autorin strukturiert den historischen Bezugsrahmen, fragt nach den Gründen für die Auswanderung, die Umstände der Einreise und die ersten Jahre in Neuseeland. Ihre Ergebnisse illustriert sie mit zahlreichen Zitaten aus Briefen, Zeitungsartikeln und Interviews und ermöglicht Lesenden so einen Einblick in die Erfahrungen und Erlebnisse von Migrantinnen und Migranten. Die Stärke des Buches liegt so auch im diachronen Vergleich individueller Migrationserfahrungen.

Grundsätzlich wäre es wünschenswert gewesen, die frauenspezifischen Bedingungen von Migration und das Thema der Maoris vertieft zu diskutieren. Das Buch hätte zudem von einem gründlichen Lektorat profitiert, da es einige Nachlässigkeiten aufweist. Auch lässt die Autorin bedauerlicherweise zu häufig offen, auf welcher Basis ihre Darstellung beruht und wie sie zu ihren Erkenntnissen gekommen ist. Insgesamt geht sie zu wenig über die Darstellung individueller Schicksale hinaus. Trotzdem eignet sich diese quellengesättigte Studie als Einstieg in die Thematik. Wer sich für die Lebenswelten von Migrantinnen und Migranten im pazifischen Raum interessiert, wird in diesem Buch eine kurzweilige und zuweilen überraschende Lektüre finden.

Zitierweise:
Kaspar, Magda: Rezension zu: Waldvogel, Joan: Swiss Settlers in New Zealand. A History of Swiss Immigration to New Zealand, Berlin 2018. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte 70 (3), 2020, S. 488-489. Online: <https://doi.org/10.24894/2296-6013.00071>.